Zwischen Window-Color und Koksnasen

von 03.07.2018Unternehmensblog

© Camilllo

Wir haben die Kreativität zu Grabe getragen. Es wurden Rosen ins Grab geworfen und geweint wurde auch. So traurig.  Da liegt sie nun. Still und blass und zuckt nicht mehr. Ausgemergelt sieht sie aus – kein Wunder, musste sie doch Jahre lang herhalten als Ansporn, Ausrede und Verkaufsstar.

Es begann mit „Malen nach Zahlen“ und gipfeltet in Window Colour. (Um es gleich klarzustellen, ich habe kein Problem mit Window Colour – aber ich habe ein Problem damit, dass man glauben gemacht wird, Prinzessin Elsa von einer Disneyvorlage abzumalen, fördere nur einen Hauch Kreativität – das ist nicht der Fall!) Das war die eine Seite des Extrems. Die andere waren „Künstler“, die mit weißen Ringen um die Nasenlöcher lautstark beteuerten, sie wüssten, wie das geht – das Kreativ-Sein.

Kreativität hat mit beidem nichts zu tun. Sie wird nur seit Jahren missbraucht, um besser zu vermarkten oder um ein unmögliches Verhalten zu legitimieren. Der Ruf nach Kreativität ist immer dann besonders laut, wenn das Problem eigentlich woanders liegt. Mitarbeiter sollen kreativ sein, wenn es Probleme zu lösen gibt. Auch das ist per se kein Problem. Denn gerade beim Problemlösen sind kreative Ansätze besonders hilfreich. Schwierig wird es erst, wenn man auf Knopfdruck kreativ sein soll, wenn man von jetzt auf gleich bitte die einzigartige, neue, innovative, nie gehörte Lösung herbeizaubern soll. Aber auch das hat mit Kreativität nichts zu tun. Es ist einzig die Aufforderung, jetzt sofort etwas zu leisten. Aber Kreativität ist keine Leistung, die man passgenau erbringen kann. Sie passiert einfach, und ja, das ist das Frustrierende daran, man kann sie nicht planen. Man kann sie nicht kaufen mit hübschen Disney-Motiven vorne drauf und man kann sie nicht lernen, man kann sie sich auch nicht durch die Nase ziehen, so schön das auch wäre. Man kann ihr aber einen Nährboden, einen Raum bieten, in dem man sie erleben kann. Kreativität begründet sich in der Individualität jedes Einzelnen. Man agiert kreativ, wenn man intuitiv handelt, wenn man Neues ausprobiert. Wenn man sein E-Mail-Postfach neu sortiert und wenn man in den kleinen Lücken, die der Alltag einem lässt, Neues ausprobiert. Beim Kochen zum Beispiel, beim Spielen mit dem Kind. Oder in den ruhigen Phasen bei der Arbeit, wenn ein zuvor ewig gewälztes Problem letztlich eine ganz leichte Lösung hat. Kreativ sind wir dann, wenn wir den Raum haben zu erfahren, wer wir eigentlich sind und was wir möchten. Ich meine das nicht psychologisch, das hat nichts mit Psychologie zu tun und mit Freud schon mal grad gar nicht. Sondern damit, dass wir wissen, was wir können und wollen, wie wir zufrieden mit uns sind und, und das ist das Größte und Wichtigste, woran wir Freude haben.

Das ist Kreativität.

Es ist die Suche und der Wunsch, etwas zu verändern, etwas zu gestalten und vor allem etwas zu machen. Schaffen wir also Räume, um kreativ zu sein. Denn das ist das, was uns lächeln lässt. Und was Schweres weniger schwer sein lässt. Das, was uns Freude in die alltägliche Routine bringt. Und wobei wir fühlen, dass wir lebendig sind.